Sophia Mainka

Ohne Titel by Adrian Sölch
Essay, 2019

Verschlossen durch Gitter und Tor, von Zaun, Hecke und Garten gedämpft, sammelt sich in seinen Wänden das Haus. Distanziert und geschützt hält es die Welt auf Abstand. Innen bedeckt sich harter Ziegelstein und körniger Beton mit immer zarteren Membranen: glatter Gips, Tapete, flüssige Farbe, Muster, Ornamente. Es beginnt mit dem Groben, dann werden die Schichten immer dünner.

Gips
Styropor und Renoviervlieskleber
Latten, sägerauh
Schnell-Estrich
Flexi-Gartenkorb, blau
Epoxyharz

Sophia Mainka wird mit Namen gegrüßt, wenn sie im Lauenburger Baumarkt ist. Sie besitzt derzeit kein Auto, also muss sie laufen, fast jeden zweiten Tag. 2,3 Kilometer beträgt die Strecke von ihrem Atelier zum Baumarkt. Wir sehen sie manchmal, wenn wir aus dem Fenster auf die Straße schauen. Auf dem Rückweg ist sie langsam. Sie muss das ja alles tragen.

Haftgrund
Spanplatte, roh
Anlieferung an Bordstein innerorts
Rundstange, Alu-silber, eloxiert
Bodenschieber

Die Schichtungen lassen sich endlos fortführen. Sie enden nicht an der Hauswand. Ein Spannbettlaken über der Matratze, über der Decke eine Tagesdecke. Ein Haus umschließt uns von außen und gibt uns innen Platz zum Wachsen. Hauswand ist Haut, Organe Objekte, die wir kaufen. Sie helfen uns dabei uns selbst zu werden. So wie wir die Hautcreme brauchen, um unseren Körper zu streicheln, lernen wir uns selbst zu lieben, wenn wir gewissenhaft den Teppich saugen.

Konsole PURIST
Latten, sägerauh
Goldeffekt Buntlack
Schnell-Estrich
Schneefanggitter, verzinkt
Sophia Mainka hat eine Kamera dabei. Wir sehen sie manchmal, wenn wir aus dem Fenster auf die Straße schauen. Sie streift in der Nachbarschaft umher, filmt Hauswände, Gartenutensilien und falsche Katzen. Irgendwann fängt sie immer an, sich selbst zu filmen.

Haftgrund
Nylonseil, weiss
CU-Rohr, blank
Bau- und Hobbygips
Granit-grau Buntlack

Unsere Haut muss atmen. An ihren Öffnungen wird sie dünn und durchsichtig. Schützenswerte Schwachstellen. Fensterläden, Doppelverglasung, Gardinen, Jalousien, Vorhänge. Am Ende dieser Schichtung fehlt ein Detail. Wir stellen ein Objekt auf unser Fensterbrett. Eine Katze, die nicht echt ist. Sie kann aus Kunststoff oder Porzellan sein, sie kann stark vereinfacht oder fast naturalistisch anmuten. Vielleicht ist es zweitrangig wie der Wächter aussieht, der unser Haus vor dem Außen schützt. Die Katze auf dem Fensterbrett begrüßt unsere Gäste und lenkt den Blick auf sich. Sie verdeckt ein Stück unseres Innenlebens, verdeckt den Blick auf das ungemachte Bett, auf dem noch keine Tagesdecke liegt.

Granit-hellgrau Buntlack
Gips
Feinstaub-Maske
Kunststoff Klemmrosetten
Uni-Allzweckschrauben

Sophia Mainkas Arbeiten sind in einer Galerie. Das ist nicht das Innere unserer Häuser und auch nicht unser Vorgarten. Sophia Mainkas Arbeiten haben Oberflächen. Wir glauben genau zu wissen, wie sie sich anfühlen würden, wenn wir sie berühren dürften. Wir müssen sie dafür nicht berühren. Unsere Hände wissen wie weich ein Kissen ist. Die Oberfläche von einem Blumentopf aus Ton ist rau. Und der innere meist schwarze Plastikkübel wiegt leicht in der Hand. Aber der schwarze Plastikkübel fehlt hier und das was da aus dem Blumentopf ragt, ist auch keine Pflanze. Es könnte ein Sportgerät, aber auch eine seltsam geformte Regenrinne sein. Das Objekt ist lang und besteht aus verschiedenen Elementen, die wir alle ein bisschen zu kennen glauben. Es könnte schwer, aber auch ganz leicht sein. Irgendwann kommt der Moment, wo wir es dann doch heimlich berühren. Wir hoffen, dass Sophia Mainka es nicht gesehen hat. Zumindest lässt sie sich nichts anmerken. Allerdings war die Berührung zu kurz, um wirklich zu wissen, wie schwer es ist. Dafür müssten wir es anheben.

Schleifdreieck-Schleifscheiben
Vollsichtschutzbrille
Granit-hellgrau Buntlack
Granit-grau Buntlack
Nylonseil, weiss

Sophia Mainkas Arbeiten widmen sich dem Haptischen. Allerdings ist der Tastsinn in unseren Breitengraden irgendwann in Verruf geraten. Er dient dem Eros und entzieht sich der Vernunft. Während wir voller Stolz den Kopf aufrichten und mit ihm aus dem Fenster schauen, klammern sich unsere Greiforgane mit fast obszöner Inbrunst an die Körperwelt. Sie hören nicht auf den Vorhang zu streicheln. Von den Finger- bis zu den Fußspitzen ist unser Radius begrenzt. Wir kaufen uns einen Staubsauger, um damit unseren Arm zu verlängern. Eine eingeschlossene Begierde wächst in unserer Seele wie in einem Treibhaus. Wir könnten uns mit einem Staubsauger auch selbstbefriedigen. An künstlichen Bäumen wachsen seltsame Früchte.