Sophia Mainka

Ohne Titel by Berthold Reiss
Essay, 2021

Trinkhalm, Pinsel, Gabel. Milchkaffee, Farbe, Tiramisu. Der Halm steht im Becher, der Pinsel wird übers Papier bewegt, die Gabel steckt im Kuchen und liegt auf dem Teller. Man weiß, dass es um Trinken, Malen und Essen geht, auch wenn alle drei Stillleben rot sind, weil der Regenbogen des Buchschnitts rot wird, wo die Küche beginnt. In unserer Küche hat Sophia ein Foto von mir für das Magazin Vogue gemacht, zumeist aber war die Rede von den Farben, mit denen wir in meinem Studio malten oder von ihren Zeichnungen, deren Kapitel in diesem Buch auch das über die Küche ist. „Und für dieses Kapitel hatte ich die Idee, dass du einen Text schreiben könntest, wie es ist mit mir zu zeichnen...“ (Sophia Mainka, 21. 4. 2021). Aber gezeichnet habe ich gar nicht mit ihr, nur gemalt. Nur indirekt kamen die einzelnen Formen und die Form ihrer Bilder ins Spiel: Einmal, als wir uns Uwe Lausen ansahen und immer, wenn wir berieten, wie dick oder dünn die Farbe sein, ob sie gemalt oder gedruckt aussehen sollte. Wenn ich darüber nachdenke, verstehe ich, dass es zeichnen heißen kann und nicht malen, so wie Kinder oft sagen, sie malen, auch wenn sie das mit dem Bleistift tun. Und mir fällt ein, wie verschieden René Descartes von den Farben geschrieben hat. Sie können in einer Reihe stehen wie in einem Regal: „Himmel, Luft, Erde, Farben, Gestalten, Töne und alle Außendinge.“ Aber vorher heißt es in der gleichen Ersten Meditation über die Erste Philosophie: Auch in unwahrscheinlichen Bildern „müssen doch mindestens die Farben wahr sein.“ Und weiter heißt es, dass „wenigstens gewisse andere, noch einfachere und allgemeinere Dinge wahr sind, mit denen als den wahren Farben alle jene wahren oder falschen Bilder von Dingen in unserem Bewusstsein gemalt sind.“ Mit Sophia zu malen, ist für mich die Erfahrung, dass die Farben stehen können oder unter unseren Händen so dicht werden wie die Dinge in unserer Küche.