Tonne Extrem by Judith Neunhäuserer
Essay, 2016
Sophia „TONNE EXTREME“ Mainka ist im Rossmann anzutreffen oder in diversen Baumärkten, aus denen sie die Materialien für ihre Kunst bezieht. Erworbene und selbst angefertigte Dinge arrangiert sie in Landschaften, stellt sie zu Szenen, Panoramen zueinander oder assoziiert für sie unübliche Gebräuche und Umgebungen. SAVANNA XXL: eine HIDE AWAY CAVE auf dem TINKA PLANET. Dasselbe Objekt verändert in unterschiedlicher Verwendung seine affektiven Konnotationen und seine narrative Funktion. Ein intuitives Spiel damit beraubt das Ding seiner einzigen, festgelegten Identität und konstruiert verschiedenste neue, die entsprechend wechselnde Stimmungen erzeugen. GENTLE, GIANT, EXTREME…
Die Dinge stammen überwiegend aus Haushalten der Mittelschicht Mitteleuropas, doch sie erscheinen weder vertraut noch vertrauenserweckend. Einerseits hat Mainka ein Faible für Abstruses und ein Händchen für die Auswahl besonders eigenartiger Objekte wie Gardinenreiniger, Seniorenkratzbäume und Hamsterrad-Teller, quasi Pearl-Katalog-Abonnentin. Damit setzt sie die Träume kleiner Leute ins Bild. Auch normale, zweckmäßig genutzte Wohnräume können Fernweh hervorrufen, das beispielsweise in Palmblatttapeten kondensiert wird. TREND NATURAL HARMONY bei BAMBOO 2 oder BANANALEAF 3. Das Absurde im Alltäglichen, Sehnsüchte und Abgründe im trauten Heim scheinen durch.
Andererseits tritt das vormals Bekannte in ihrer künstlerischen Arbeit durch das Eigenleben, das sie ihm zuerkennt, als Fremdes auf. Wie im Disney-Film mit der Schönen und dem Biest sind die Dinge hier lebendig. Der Mediaplayer ist nicht nur dazu da, um ein Video abzuspielen, sondern darf (in Kooperation mit dem Beamer und diversen Kabeln) sein eigenes einprogrammiertes Bild projizieren: WD. In traditionellen animistischen Gesellschaften, aber auch im zeitgenössischen Kunsttheoriediskurs wird Dingen Handlungsmacht zugesprochen. Sophia Mainkas Kunst trotzt dem aufgeklärten menschlichen Selbstverständnis, indem sie zeigt, dass wir nie modern gewesen sind (Latour), sondern immer im unauflösbaren Verbund mit Dingen stehen, und dass Fetischismus ein Grundzug unseres Zugangs zur Welt der Dinge ist (Böhme). SUNNY CAT DREAM, KRATZINSEL MUNERA, FLAUSCHI EMPIRE. Nebst solchen anzüglich gehauchten Produktbezeichnungen aus dem Haustier-Shop wird ein Kratzbaum zum Phallussymbol und Teiggeknete zur Erotikmassage.
Die Fernsehabend-Decke aus Plüsch, mit Ärmeln und Bauchtasche, wird zum Känguru-cape umgedeutet und ein Nackenkissen als Zahnpaar tituliert. YETI MASTER, BIG HOUSE SILVER STAR, HOME SWEET HOME. Wie in den skulpturalen Arbeiten und in den Rauminstallationen treten auch im Verzeichnis heimischer Dinge, unabhängig vom realen Maßstab zu Bildern komponiert, deren ästhetische Qualitäten hervor. Rosa Lockenwickler schieben sich auf einer monochromen beigen Fläche vor die grüne Playmobil-Graslandschaft in Makroaufnahme wie Würmer an Seetang SAINT TROPEZ. Die Dinge werden von Sophia Mainka aus ihrem dominanten Verwendungszusammenhang gelöst und das wirkt ein Stück weit auch auf uns Betrachtende und Verwendende befreiend und tröstlich. COMFORT TREE KINGDOM. ZAMORA LOVE. „Das Zuhause besteht aus Ansammlungen von Dingen. Aber mein Föhn tut mir in kalten Tagen auch gut.“